Reflektierte Meinungsbildung in Gesellschaft und Politik

In der Politik wird häufig nur auf Probleme reagiert und Herausforderungen werden erst dann angegangen, wenn es schon sehr dringend wird.

Reflektiertes Vorgehen steht für ein proaktives Herangehen. Entscheidungen werden als Chancen aufgefasst, die Zukunft gestalten zu dürfen.

Viele politische Diskussionen bestehen nur in einem Schlagabtausch von Argumenten, welche der vorgeschlagenen Maßnahmen die beste ist.

In einer reflektierten Diskussionsführung tauscht man sich zunächst darüber aus, welche fundamentalen Ziele eigentlich erreicht werden sollen und wie wichtig die einzelnen Ziele im Vergleich sind. Erst anschließend sucht man nach den besten Handlungsoptionen.

Bei vielen diskutierten Maßnahmen zur Lösung einer Herausforderung fehlt es häufig an Kreativität für neue Lösungsansätze.

Ein reflektiertes Herangehen umfasst hingegen immer ein kreatives, an den Fundamentalzielen orientiertes Entwickeln neuer Wege, damit wirklich alle vorstellbaren Handlungsoptionen auf den Tisch kommen.

Häufig wird versucht, die eigene Position durch einen Verweis auf eine Statistik oder eine Studie zu begründen.

In einer reflektierten Vorgehensweise ist man sich der Tatsache bewusst, dass die Aussagekraft jeder Statistik oder jeder Studie beschränkt ist. Vielmehr ist es notwendig, stets alle Annahmen und Rahmenbedingungen transparent zu machen und ein Gesamtbild aller relevanten Studien zu betrachten.

Bei jeder vorgetragenen Position besteht grundsätzlich die Vermutung, dass die Position nur den eigenen Interessen und nicht der Gesellschaft dient.

In einem reflektierten Meinungsbildungsprozess führt ein Bewusstsein für diesen „Self-Interest-Bias“ dazu, dass der tatsächliche Informationsgehalt der entsprechend vorgetragenen Argumente als sehr gering eingestuft wird.

In dem Versuch, Wähler von den eigenen Positionen zu überzeugen, wird häufig mit einfachen Narrativen gearbeitet.

Ein reflektierter Wähler bzw. Wählerin stützt sich hingegen immer auf eine sachliche Abwägung der Vor- und Nachteile der Handlungsoptionen in den Zielen, die er/sie für sich selbst im Vorfeld genau ausformuliert hat.


Reflektierte Entscheidungen in Unternehmen

Eine geringe Kreativität und eine überhöhte Scheu vor Risiken führen zu einer Verhinderung der notwendigen Dynamik im Unternehmen. 

Die Mitglieder des Führungsgremiums haben ein unterschiedliches Verständnis in der genauen Auslegung des Unternehmensleitbildes.

In einem reflektierten strategischen Entscheidungsansatz werden Fundamentalziele klar definiert und alle Ziele mit einer eindeutigen Messskala verknüpft, so dass unterschiedliche Interpretationen ausgeschlossen sind. 

Vorstände oder Geschäftsführer entscheiden nur auf der Basis von Entscheidungsvorlagen, in denen es nur ein „Ja“ oder „Nein“ ohne weitere ausgearbeitete Handlungsalternativen gibt.

In einem reflektierten Entscheidungsprozess gibt es immer ein Spektrum verschiedener, kreativ abgeleiteter Handlungsoptionen, in denen der gesamte Handlungsraum abgedeckt wird. Nur so läßt sich überhaupt von einer Entscheidung sprechen.

In nachgeordneten Führungsebenen dauern Entscheidungsprozesse und Diskussionen zu lange, weil nicht eindeutig klar ist, nach welchen Kriterien die Handlungsoptionen bewertet werden sollen.

In einem reflektierten Entscheidungsprozess liefern klar definierte Ziele und Tradeoffs allen Beteiligten die notwendigen Informationen, um vor Ort Entscheidungen treffen zu können und echte Agilität zu leben.

Eine geringe Kreativität und eine überhöhte Scheu vor Risiken führen zu einer Verhinderung der notwendigen Dynamik im Unternehmen.

Transparente Bewertungsmuster und spezielle Kreativitätstechniken garantieren in einem reflektierten Entscheidungsprozess, dass in einer Abwägung von Chancen und Risiken die besten Handlungsoptionen erkannt und gewählt werden.

Entscheidungen werden durch opportunistische, persönliche Ziele von Beteiligten gelenkt, ohne dass dies transparent gemacht werden kann.

In einem reflektierten Entscheidungsprozess gibt es eine unstrittige Transparenz aller Ziele und Tradeoffs. Nicht offengelegte Interessen sind ohne Einfluss auf die Entscheidung.

Entschieden wird im Unternehmen typischerweise erst dann, wenn Probleme auftreten, die gelöst werden müssen.

In einem reflektierten Entscheidungsprozess werden Entscheidungen als Chance verstanden, weitsichtig und proaktiv das Steuer in die Hand nehmen zu dürfen. Viele Probleme treten somit erst gar nicht auf.

Typische Entscheidungsfehler und Biases, wie z. B. eine Überschätzung des Erfolges eigener Projekte oder unvernünftiges Festhalten an Projekten, die besser beendet werden sollten, kosten das Unternehmen viel Geld.

Im einem reflektierten Entscheidungsprozess werden die wichtigsten Biases explizit untersucht und durch ein entsprechendes Debiasing verhindert.

Im Unternehmen werden gerne Konflikte vermieden und es hapert deshalb an der konsequenten Umsetzung von getroffenen Entscheidungen.

In einem reflektierten Entscheidungsprozess schafft eine offene Diskussion über Ziele und deren relative Gewichte die Grundlage für einen konstruktiven Konflikt. Die Offenlegung von Präferenzen aller Beteiligten stützt das Vertrauen in den Prozess, führt zu einem größeren Verständnis für die letztliche Entscheidung und verpflichtet alle zur Umsetzung.


Reflektierte private Entscheidungen

Häufig treffen wir erst dann bewusst eine Entscheidung, wenn ein Problem auftritt.

Beim reflektierten Entscheiden reagieren wir nicht nur, sondern wir suchen auch proaktiv nach Entscheidungschancen, weil wir hierdurch schon jetzt vieles verbessern können und möglicherweise auch verhindern können, dass später Probleme auftreten.

Wir haben zwar alle bei jeder Entscheidung einige Ziele im Kopf, aber so richtig klar benennen können wir unsere Ziele nicht immer.

Beim reflektierten Entscheiden sind wir in der Lage, in wenigen klaren Begriffen uns selber und jedem anderen schnell klarzumachen, auf was es uns im Kern in der Entscheidungssituation ankommt.

Nicht selten betrachten wir bei Entscheidungsproblemen nur die naheliegenden, offensichtlichen Handlungsmöglichkeiten.

Zu einem reflektierten Entscheidungsprozess gehört auch immer eine kreative und an den Zielen orientierte Suche nach ganz neuen Wegen, um auch keine gute Lösung zu übersehen.

Es gibt eine Reihe von häufig auftretenden Entscheidungs- und Schätzfehlern, die man unbewusst begeht.

In einem reflektierten Entscheidungsprozess kennt man diese typischen Fehler sehr genau und achtet deshalb in der Entscheidungssituation bewusst darauf, dass man nicht in die Falle tappt.

Manchmal gibt es Entscheidungssituationen, in denen eine vernünftige Abwägung zu einem anderen Ergebnis kommt als das eigene Bauchgefühl.

Beim reflektierten Entscheiden stellen mögliche Diskrepanzen zwischen Kopf und Bauch eine Chance und zugleich einen Ansatzpunkt dar, die eigenen Ziele durch weitere Reflexion noch besser verstehen zu lernen.


Workshops und Trainings

Für unterschiedliche Anwendungsfelder bieten wir Workshops und Trainingseinheiten ein, um den Interessierten die Gedanken des reflektierten Entscheidens im Allgemeinen und das Entscheidungsnavi im Konkreten näherzubringen. Hierzu zählen Workshops für Unternehmen oder Institutionen, Studierende aus anderen Universitäten und in enger Abstimmung mit unserer Partnerinitiative KLUGentscheiden auch für Schüler:innen.

Testimonials von Teilnehmern

„Im Projektgeschäft sehen sich meine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen tagtäglich mit verschiedensten Entscheidungen konfrontiert. Ich freue mich sehr, dass wir unsere Entscheidungsqualität durch mehr Struktur und das nötige Handwerkszeug, das uns das Moderatorenteam nicht nur anschaulich, sondern insbesondere kurzweilig und interaktiv, in einem 1-Tages-Seminar vermittelt hat, verbessern konnten. Mit dem Entscheidungsnavi haben wir außerdem ein webbasiertes Tool kennengelernt, das die theoretischen Inhalte wunderbar ergänzt und sich sinnvoll in unsere Projekte einbinden läßt.“ 

Dr. Felix Sohnius

Oberingenieur und Abteilungsleiter am WZL der RWTH Aachen, Abteilung Quality Intelligence

„Wir möchten unsere Schülerinnen durch ein gezieltes Entscheidungskompetenztraining dabei unterstützen, selbstbewusst eine reflektierte Entscheidung zu treffen. Genau das fällt den meisten, insbesondere bei ihrer Berufsentscheidung mit den unglaublich vielen Möglichkeiten wahnsinnig schwer. Die Workshops des Fördervereins zeigen unseren Schülerinnen auf, wie sie Struktur in ihre Entscheidung bringen und wie sie ihre persönlichen Ziele und Wertvorstellungen in den Entscheidungsprozess einfließen lassen können. Zudem bekommen sie mit dem Entscheidungsnavi ein passendes Tool dafür mit an die Hand gegeben, das sie auch zu Hause selbst nutzen und ihre Entscheidungskompetenz trainieren können.”

Elke Bauer

Bischöfliche St. Angela-Schule Düren

“Wenn das Studium dem Ende zugeht, steht man vor der großen Entscheidung, welchen Weg man danach einschlagen möchte. Diese Karriereentscheidung führt angesichts der vielen Möglichkeiten leicht zu einem Gefühl der Überforderung. Durch die kurze Einführung in die Grundlagen der Entscheidungslehre in Kombination mit der sofortigen Umsetzung der Inhalte mit Hilfe des webbasierten Tools ‚Entscheidungsnavi‘ in Einzel- und Gruppensessions habe ich mit geringem Zeitaufwand gelernt, strukturiert an meine Entscheidung heranzugehen. Hierbei konnte ich einige meiner persönlichen Schwachstellen bzw. Fehlannahmen hinsichtlich einer guten Entscheidungsfindung aufdecken und durch wissenschaftsbasierte Erkenntnisse ersetzen. All dies wird mir zukünftig sicherlich auch bei der Entscheidungsfindung in anderen Bereichen helfen und hat mich persönlich sehr bereichert.”

Elisabeth Mansel

Masterstudentin für Medienrecht und Medienwirtschaft an der TH Köln

„Unsere gesamte Q1 hat an einem dreistündigen Workshop teilgenommen, um mehr darüber zu lernen, wie man eine Entscheidung reflektiert trifft. Ein solches Programm mit Einblicken in die wissenschaftliche Entscheidungsforschung war für unsere Q1 etwas Spannendes und ganz Neues. Das Feedback aus der Stufe war auch durchweg positiv. Vor allem die Möglichkeit, mithilfe des Entscheidungsnavis über die eigene Entscheidungssituation, wie es nach der Schule weiter geht, reflektieren zu können, machte den Workshop für die Schülerinnen und Schüler sehr praxisnah und lebendig. Es wurde sogar geäußert, dass dieser Workshop der spannendste in unserem gesamten Berufsorientierungs-Programm war. Wir werden die Workshops auf jeden Fall wieder anbieten!”

Christine Kamarys

Gymnasium der Gemeinde Kreuzau

„Ich freue mich sehr, das Seminarangebot des Fördervereins ‚Persönliche Karriereentscheidungen mit dem Entscheidungsnavi‘ auch bei mir an der TH Köln anbieten zu können. Um die richtigen Entscheidungen zu treffen, ist Bauchgefühl nicht immer ausreichend. Hierfür braucht es Entscheidungskompetenz! Und wo ließe sich diese wichtige Schlüsselkompetenz besser üben als in diesem Seminar? Meine Studenten profitieren beruflich und privat sehr davon.”

Prof. Dr. Marc Kastner

Schmalenbach Institut für Wirtschaftswissenschaften, TH Köln

„In der Vergangenheit haben wir bereits mehrfach Workshops und Vorträge des Fördervereins für unsere Schülerinnen und Schüler angeboten. Neben einer professionellen Berufsberatung ist der Aufbau von Entscheidungskompetenz ebenfalls sehr wichtig, damit unsere Schülerinnen und Schüler auch dazu in der Lage sind, eine bedachte Entscheidung über ihren Berufsweg zu treffen. Wir sind sehr froh über das Angebot des Fördervereins und darüber, dass unsere Schülerinnen und Schüler wertvolle Profi-Tipps zum Treffen von Entscheidungen erhalten können!”

Martin Schlöder

Stiftisches Gymnasium Düren


Beispiele von Anwendungen

Mit dem Ansatz des Reflektierten Entscheidens bzw. mit dem Entscheidungsnavi, welches das Konzept des reflektierten Entscheidens als Webtool umsetzt, wurden auch schon in der Vergangenheit einige Entscheidungen analysiert und unterstützt.

 Entscheidungen über die Entwicklung von Medikamenten in einer frühen Entwicklungsphase

Für diese Fragestellung hat die Strategieberatung Strategic Decisions Group im Rahmen eines Beratungsmandates des Pharmakonzerns Bayer Pharmaceuticals eine Bewertungsmethodik entwickelt. Die dargestellte Case Study beschreibt unter anderem den Einsatz des Entscheidungsnavi in der Anwendung von Value-Focused Thinking und Multi-attributiver Wertetheorie. Das Paper ist 2022 erschienen im Journal Decision Analysis.
Download des Papers

Entscheidungshilfe für Bürger:innen und MdBs zum Thema Impfpflicht

In der fünften Corona-Welle im Winter 2021/2022 wurde das Thema „Allgemeine Impfpflicht“ sehr kontrovers in der Politik diskutiert.  Wir haben deshalb versucht, die Entscheidungssituation einmal sauber mit dem Entscheidungsnavi zu strukturieren. Die resultierende Entscheidungshilfe sah vor, dass der/die Anwender:in noch die eigenen persönlichen Zielgewichte für die formulierten sieben Fundamentalziele angegeben musste, um ein persönliches Ergebnis zur Reflexion der eigenen Meinung ausgegeben zu bekommen. Diese Entscheidungshilfe wurde von uns veröffentlicht und an alle MdBs versendet. 
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Regionalpolitische Fragestellungen der Stadt Aachen 

In zwei Lehrveranstaltungen an der RWTH Aachen haben sich Studierende mit regionalpolitischen Fragen beschäftigt und in Kooperation mit Aachener Regionalpolitiker:Innen unterschiedlicher Parteien in einem reflektierten Entscheidungsansatz Gedanken zu kreativen Lösungsansätzen gemacht. Betrachtet wurde folgende Fragestellungen:

  • Kulturförderung (Infos)
  • Innenstadtattraktivität (Infos)
  • Öffentlicher Nahverkehr, Fahrrad & Auto (Infos)

Lebenshilfe Aachen Werkstätten & Service GmbH 

In mehreren Workshops wurde in einem reflektierten Entscheidungsansatz mit Unterstützung des Entscheidungsnavis die Frage behandelt, wie sich die Lebenshilfe organisatorisch noch besser aufstellen kann. Der Prozess wurde von allen Beteiligten als äußerst nützlich empfunden und es konnte eine gute Lösung gefunden werden.

Universitäre Prüfungsmodalitäten unter Corona-Bedingungen 

Die Entscheidung über die Durchführung von digitalen Prüfungsformaten an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der RWTH Aachen wurde im Wintersemester 20/21 sehr transparent und einfach vom Dekanat mit dem Entscheidungnavi strukturiert und mit großem Erfolg konsequent umgesetzt.
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Bewertung von Energienetzstrukturen für die Energiewende

Im Rahmen des Kopernikus-Projektes ENSURE wurden verschiedene gesellschaftliche Anspruchsgruppen in Workshops an einen Tisch gebracht. Die jeweiligen Wünsche und Vorstellungen hinsichtlich unterschiedlicher Ausgestaltungen der möglichen Netzstrukturen konnten in einem einheitlichen Zielsystem abgebildet und reflektiert diskutiert werden.
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Persönliche Karriereplanung für Studierende

An verschiedenen Hochschulen werden Studierende mit dem Entscheidungsnavi entweder in kleinen Kursen oder auch in großen Veranstaltungen dabei unterstützt, über die eigene weitere Ausbildung und den Karriereweg reflektiert nachzudenken und anschließend mit einem guten Gefühl im Bauch die richtigen Wege zu gehen.
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Der Navi-Parteiencheck für die Bundestagswahl 2021

Eine reflektierte Meinungsbildung in der Politik erfordert, dass man sich mehr mit Zielen auseinandersetzt und nicht nur sich um Positionen streitet, bei denen es häufig auch kein klares „Dafür“ oder „Dagegen“ gibt. Wir haben deshalb zusammen mit Studierenden einen Parteiencheck entwickelt, der Wähler unterstützen soll, die eigenen Zielgewichte mit denen der Parteien zu vergleichen.
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Studierende analysieren strategische Fragestellungen von Unternehmen

Im Rahmen der Veranstaltung Strategische Entscheidungen im Consulting an der RWTH Aachen haben Studierende mögliche strategische Entscheidungen untersucht und mit dem Entscheidungsnavi dazugehörige Entscheidungsvorlagen erstellt. Eine Sammlung aller Projekte ist direkt im Entscheidungsnavi abrufbar.